Mein Lebensgefährte hat einen kleinen Online-Futtermittelhandel, der langsam aber stetig wächst. Unser Anwesen platzt aus allen Nähten. Also wurden Pläne zur Vergrößerung der Lagerflächen für die Futtermittel gemacht. Alte Gebäudeteile mussten weg, ein großer Anbau sollte her. Das meiste haben wir in Eigenleistung erstellt. Kurz bevor der Bagger kam, um Altes abzureißen, entdeckte ich ein Spatzennest unter einem vergessenen Dachziegel. 6 junge Piepmätze, denen ich nun die Mutter ersetzen musste oder sie würden dem Bagger zum Opfer fallen. In den nächsten Wochen war ich gut beschäftigt. Spatzen füttern, unsere Bauhelfer hatten auch Hunger und Durst. Den ein oder anderen schweren Mörtelkübel habe ich auch fleißig angereicht. Das sollte ich eigentlich nicht, meine Knochen mussten ja etwas geschont werden. Aber mir ging es ja bestens, da werde ich dann schnell mal leichtsinnig. Heuschnupfen, kräftiges Niesen, Rippenprellung. Das dauert bis zur Heilung und ist schmerzhaft. Erst ein halbes Jahr später wurde festgestellt, dass meine selbst gestellte Diagnose falsch war. Drei Rippen waren angebrochen, nicht geprellt. Aber dafür hatte ich im Baueifer keine Zeit.

Im November 2008 war dann wieder mal ein Kontrolltermin in Heidelberg fällig. Zu Beginn der Erkrankung musste ich jeden Monat, später alle 3 Monate und inzwischen nur noch 2 x jährlich zur großen Kontrolle. Die "kleineren" Untersuchungen machte alle 4 Wochen ein Onkologe in der Nähe meines Wohnortes zusammen mit den Bisphosphonat-Infusionen.

Die Kontrolle brachte ein Ergebnis, mit dem ich eigentlich nicht wirklich gerechnet hatte. Ich fühlte mich total fit, ich hätte die Welt aus den Angeln heben können, so gut ging es mir. Aber die Blutuntersuchung sagte leider etwas anderes. Der Krebs war wieder aktiv. 

Diesmal wurde mir eine allogene (mit Spenderzellen) Stammzelltransplantation empfohlen. Die hatte man schon 2002 einmal angedeutet, sie wurde aber nicht gemacht, weil die Risiken doch wesentlich größer sind, als bei einer Transplantation mit eigenen Zellen. 

Irgendwie spukten dazu Horrorgeschichten in meinem Kopf herum.

Ich bin noch nicht bereit, zu sterben.

ICH WILL DAS NICHT!

ICH MACHE DAS NICHT!

Ich wurde nun von einer Oberärztin in der Uniklinik Heidelberg betreut. Und die hatte die undankbare Aufgabe, mir die allogene Stammzelltransplantation nahe zu bringen. Dadurch war sie mir äußerst unsympathisch. Dabei konnte sie ja nun wirklich nichts dafür. Sie spürte meine Ablehnung natürlich auch. Ließ es sich aber nicht anmerken. Dabei war ich sicher nicht sehr freundlich zu ihr. Zu einem späteren Zeitpunkt habe ich mich bei ihr entschuldigt und inzwischen haben wir ein gutes Arzt/ Patienten- Verhältnis aufgebaut.

In den nächsten Tagen war ich wütend auf die ganze Welt. Haderte mit meinem Leben und Gott. Und suchte nach einem Ausweg aus dem Schlamassel. Aber wo sollte ich den finden?

 

Schließlich war es mein Lebensgefährte, der mir den Schubs in die richtige Richtung gegeben hat.

Er sagte zu mir: "Ich will Dich ja nicht beeinflussen oder zu irgendetwas drängen, was nachher vielleicht böse endet. Und ich möchte aber gerne noch lange mit Dir leben können. Du als gläubige Christin solltest doch eigentlich wissen, dass, was immer nun auch geschieht nicht in unserer Hand liegt."

 

In dem Moment war für mich klar, dass ich die bestmögliche Therapie, die die Mediziner mir bieten konnten, annehmen wollte und alles Weitere an Gott übergeben würde. ER kann entscheiden, ob ich hier noch weiter leben darf oder ob er mich zu sich holen möchte. 

Am nächsten Tag habe ich Blut abnehmen lassen und es an die DKMS (Deutsche Knochenmarkspenderdatei) zur Typisierung geschickt. Mein Entschluss stand fest, meine Ängste waren verflogen. In meiner Familie gab es keinen passenden Spender, also musste ein fremder Spender gesucht werden. 

Kurz nach Weihnachten kam die Nachricht, dass ein passender Spender für mich gefunden sei. 

Das ging ja schnell, so schnell hatte ich eigentlich damit nicht gerechnet.

 

Nun musste ich also nicht nur für mich selber beten, jetzt habe ich den unbekannten Fremden in meine Gebete eingeschlossen. Schließlich durfte er/ sie nicht krank werden oder vielleicht einen Unfall haben. Oder was sonst in den nächsten Monaten vielleicht schief gehen könnte.

Wieder bekam ich einen 7- seitigen  Aufklärungsbogen, in dem mir genau erklärt wurde, was gemacht werden sollte und welche Nebenwirkungen sofort und auch später auftreten könnten.

Auf Seite 8 war die Einverständniserklärung, mit der ich bestätigen sollte, dass ich über die geplante Therapie, die Nebenwirkungen und Stammzelltransplantation ausreichend informiert worden war.

U. A. steht auf dieser Erklärung folgender Satz: "Mir ist bewusst, dass ich an den Folgen der Behandlung versterben kann."

Das ist schon ein beängstigendes Gefühl, wenn man quasi sein eigenes Todesurteil unterschreiben soll. Andererseits, ohne Behandlung sterbe ich auf jeden Fall.

Ich hatte mich ja schon entschieden, also war ganz klar, ICH UNTERSCHREIBE.